Hab den Mut (und finde die Stille dafür), dich wieder deines eigenen Verstandes und Herzens zu bedienen

Nie gab es so viele Hunde. Und nie fanden so wenige freie Begegnungen zwischen Hunden und Hunden und Hunden und Menschen statt. 

Vielleicht hat es mit dem zu tun, was wir Zivilisation nennen und Kultur, aber auch Verhalten, Konsens, Normen und Gesetze. Es gibt mittlerweile nicht nur Hundeschulen, sondern auch den Hundeführerschein. Also ein verlangtes standardisiertes Minimum an Fähigkeiten und Kenntnissen des eigenen Hundes und im eigenen Umgang mit dem Hund. Und wie immer hat alles (mindestens) zwei Seiten. Der Wunsch nach einer gewissen Normierung, Standardisierung  und Reglementierung führt im Positiven dazu, dass sich Menschen Gedanken darüber machen, was es bedeutet, mit Hunden zu leben. Was Voraussetzungen für ein gutes Miteinander sind. Es zeigt, dass sie sich der Verantwortung bewusst sind, mit einem Hund in einer menschenzentrierten Gesellschaft zu leben. Dass jede:r nicht nur einfach so „drauf los“ handeln und hundeln kann. Und wir eine Verbindlichkeit und Verantwortung eingehen, die wir auch tragen können wollen. Es geht auch um Verständigung und Verständnis. 

Was ich allerdings zugleich beobachte: Dass Menschen gerade dadurch ihre ganz persönliche Verantwortung nicht übernehmen. Weil: Sie hinter den Normen und Gesetzen das Gefühl für ihre eigene innere Wahrheit verlieren. Oder erst verleumden und dadurch nach und nach verschütten. Vergessen, dass es neben dem aktuell offiziell geltenden Richtig und Falsch, einen inneren Kompass gibt. Einen, dessen Nadel manchmal sehr fein, manchmal sehr deutlich in uns ausschlägt, wenn sich etwas für uns stimmig oder unstimmig anfühlt. Es gab Zeiten, da nannte man das Zivilcourage: Aufstehen und Einstehen für das Wahre, Schöne und Gute. Das zeitlos „Richtige“. Das, was vor „den Gesetzen“ da war und auch nach ihnen noch da sein wird. Es gab Gesetze im alten Ägypten, im römischen Reich, im Nationalsozialismus, es gab sie in vergangenen und gibt sie in aktuellen Demokratien und Diktaturen. Und obwohl wir Menschen im Rückblick und im Weitblick auf diese Kontexte wissen, dass ein Gesetz nicht „die Wahrheit“, und dessen Einhaltung schon gar nicht automatisch „das Richtige“ und dessen Übertretung nicht per se „das Falsche“ ist - klammern wir uns an sie. Verweisen andere darauf. Fühlen uns im Recht. Oder schuldig. Richtig oder falsch. Gut oder böse. Indem wir unser Handeln, das Handeln anderer und - das unserer Hunde in den Bezugsrahmen „äußerer Gesetze“ stellen.

Oh mann.

Manchmal verzweifle ich daran.
Daran, dass wir uns über Gesetze so aus der persönlichen Verantwortung ziehen. Aus der Verantwortung, wirklich innerlich still zu werden und den Punkt, die Kompassnadel hinter Konditionierungen, Meinungen und - ja auch Gesetzen - wieder zu spüren, der uns ganz deutlich (wenn auch manchmal sehr leise ) sagt, was jetzt ansteht.  Auch wenn das bedeutet, in einer Gruppe von vielen, erstmal alleine zu stehen.

Ich sage nicht, dass ich das immer kann. Oder gar besser kann als du. Als andere. Ich weiß nur eins: Mit einem Hund zu leben, hat mich wieder auf die Spur gebracht zu meinem eigenen inneren Kompass. Denn als Menschen mit Hund stoßen wir  laufend an Gesetze. Es ist wirklich wie ein ständiges Ellenbogen-Stoßen gegen Ecken oder Wände. Hier darf der Hund nicht rein, hier soll der Hund nicht rauf, hier an die Leine, da nur mit Maulkorb. Hunde verboten. Nicht in den See. Nicht (an einem Regentag) über den (leeren!) Spielplatz fetzen. Nicht zu lange oder laut bellen. Nicht zeigen, wenn was nicht passt. Sich zurücknehmen. Sich benehmen. Aus dem Weg, an die Seite springen. Unterordnen. Unterdrücken. Sich am besten abschalten. 

Und ja, manche lassen Hundescheisse überall liegen. Und ja, das finde ich auch so richtig scheisse. Aber Menschen lassen auch ihre To go Becher, Zigarettenstummel und sonstigen Müll überall liegen. Sie benehmen sich daneben. Hören laut Musik. Pöbeln sich an. Fahren so E-Bike, dass man ins Gebüsch springen muss, um nicht umgemäht zu werden. Bauen Unfälle. Diskriminieren andere. Führen Kriege…. Und lehnen wir deshalb alle Menschen ab? Müssen Menschen deswegen hier einfach mal draußen bleiben? 

Ok, I got carried away. Eigentlich wollte ich nur sagen: Menschen und Hundemenschen, bitte habt wieder den Mut (und findet die Stille dafür), euch eures eigenen Verstandes und Herzens zu bedienen. Euch im Gespräch mit eurem Gegenüber nicht auf äußere Gesetze zu berufen, sondern auf eure innere Haltung. Und prüft diese gerne immer wieder. Ich kann Menschen, die nur mit äußeren Gesetzen argumentieren, ohne dabei ihre eigene innere Wahrheit zu äußern leider nicht mehr ernst nehmen. 

Ich war übrigens heute morgen in aller Frühe mit Fanny in im See schwimmen. Es war wunderbar. Wir lieben das. Fanny kanns kaum erwarten, fetzt vor und ich höre schon ihren Hechtsprung ins Wasser, bevor ich um die Ecke biege. Und dann komm ich rein. Und sie schwimmt enthusiastisch auf mich zu und holt mich ab. Alles an ihr sagt: “WOOOOW. Ist das geil ey! Danke, danke, danke!” Wir sind im Abenteuer. Wir sind zusammen in unserem Element. Danach sitzen wir am Ufer. Fanny setzt sich ganz nah neben mich und wir blicken übers Wasser. Verbunden durch die und in der gemeinsamen Körpererfahrung. Wir waren die einzigen Menschen- und Hundewesen vor Ort. Deswegen gehe ich extra so früh. Damit sich niemand gestört fühlt. Denn Hunde sind dort verboten

Wenn ich ein Gesetz erlassen dürfte, wäre es wohl dieses: Nehmt Rücksicht auf die persönliche Freiheit und die persönlichen Grenzen anderer - Wesen. Und achtet dabei eure eigene Freiheit und eure eigenen Grenzen.

Ich habe die Vermutung, das nennt man Respekt.

Und dann - holen wir uns unsere Lebendigkeit zurück! 

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